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                Wir verlangen am Anfang der Jungpferdearbeit, dass das Tier mit 
                seinen Gewohnheiten bricht, zeitweise von der Herde getrennt ist 
                und nun den Menschen als Alphatier akzeptieren soll. Darum sollten 
                wir bemüht sein, durch pferdeverständliche Signale einen Zugang 
                zum Pferd zu finden. Deshalb ist Bodenarbeit und moderne Pferdekommunikation 
                ein für mich unentbehrlicher Bereich des Trainings, um einen ersten 
                Zugang zu dem Tier zu bekommen. 
 „Dem jungen Pferd geht es am Anfang der Ausbildung ähnlich 
                wie uns in einem fremden Land, wenn wir der Sprache nicht mächtig 
                sind. Wir fühlen uns hilflos und können uns nur schwer mitteilen.“
 
 Heutzutage gibt es viele Seminare, die gerade diesen wichtigen 
                Bereich abdecken und das Miteinander zwischen Mensch und Pferd 
                fördern. Sie alle versuchen, durch verschiedene Übungen ein Vertrauen/Respekt-Verhältnis 
                aufzubauen und den Menschen in die Rolle des Alphatieres schlüpfen 
                zu lassen. Da es mir persönlich immer wichtig war, das „Warum?“ 
                zu verstehen und auch zu vermitteln, werden hier nun einige wichtige 
                Gründe aufgeführt, warum der Mensch unbedingt die Rolle des Alphatieres 
                übernehmen sollte:
 Rangniedere Tiere weichen den Ranghöheren. Dies ist für die Bodenarbeit 
                und die späteren Hilfen am Pferd von großer Bedeutung. Denn auch 
                bei Schenkelhilfen und der Arbeit mit Sidepull, Halfter oder Gebiss 
                sollten Pferde dem Druck weichen.
 
 Ein weiterer bedeutender Grund ist die Tatsache, dass Alphatiere 
                zwar Platz für sich beanspruchen, jedoch als Gegenleistung den 
                rangniederen Tieren auch Schutzraum bieten. Denn in der Natur 
                verteidigen Alphatiere im Fall von Angriffen ihre Herde an vorderster 
                Front, sie geben die Fluchtrichtung an oder gehen z.B. auch beim 
                Durchqueren eines Flusses voraus.
 
 „Alphatiere kontrollieren die Bewegungsrichtung von rangniederen 
                Tieren und sorgen durch ihre Schutzfunktion, die sie übernehmen, 
                für eine mentale Zufriedenheit – das sollten wir uns zu Nutze 
                machen!“
 
 Bevor wir jedoch mit dem Training beginnen, müssen wir uns Grundsätze 
                vor Augen halten, ohne die es nicht geht und die wir gerade bei 
                der Erarbeitung von neuen Dingen unbedingt berücksichtigen müssen.
 
 Wodurch lernen Pferde?
 
 Grundlegend lernen Pferde durch „Druck wegnehmen“. Jeden Druck 
                den wir aufbauen, sollte das Pferd als eine Aufgabe verstehen, 
                die wir ihm stellen. Und wenn wir eine Aufgabe stellen, sollte 
                das Pferd nach der Lösung suchen. Findet das Pferd die Lösung, 
                belohnen wir es sofort mit „Druck wegnehmen“ und Pause! Dieses 
                „Druck wegnehmen“ zieht sich wie ein roter Faden durch die weitere 
                Ausbildung des Pferdes. Ein Hund, dem man das Kommando „Sitz“ 
                sagt, braucht dieses Kommando nicht nochmal hören, wenn er diesem 
                schon gefolgt ist. Und genauso gehen wir bei der Erziehung von 
                jungen Pferden vor. Wie bei allen Lernprozessen sind Wiederholungen 
                in regelmäßigen Abständen sehr wichtig. Durch Wiederholungen entsteht 
                Sicherheit, und durch Sicherheit entsteht Routine.
 
 „Das Wiederholen eines bestimmten Ablaufs ist besonders dann 
                wichtig, wenn dabei Missverständnisse entstanden sind und wir 
                „Widerstand“ geerntet haben. Denn manche Dinge werden bei den 
                ersten Versuchen kurzfristig schlechter bevor sie besser werden“.
 
 Hierzu das Beispiel des ersten Aufhalfterns eines Fohlens. Hierbei 
                kann es ab und zu einem kleinen, sanften „Ringkampf“ kommen, deshalb 
                sollte diese Aufgabe wiederholt werden, um jeden Tag besser zu 
                werden. Ich halte es für sinnvoll, an allen neuen Dingen kontinuierlich 
                zu arbeiten, um Sicherheit und Routine entstehen zu lassen.
 
 
   
 Was ein Fohlen lernen sollte und ein Jungpferd gelernt haben 
                muss
 
 Während der ersten sechs Monate stehen für Fohlen folgende Dinge 
                auf dem Lehrplan:
 Es muss an Berührungen gewöhnt werden (besonders an den Beinen).
 Es muss lernen, sich aufhalftern zu lassen und sich neben der 
                Stute führen zu lassen.
 Hufe geben ist ebenfalls ein wichtiger Übungspunkt.
 
 Kritisch ist das Anbinden von Fohlen. Dies sollte bei wenigen 
                Wochen alten Fohlen nur bedingt praktiziert werden, da es dabei 
                zu übertriebenen Fluchtreaktionen kommen kann. Die Knochen des 
                Fohlens sind noch sehr weich, und es könnte sich evtl. an einer 
                harten Wand schwer verletzten. Anbinden sollte man daher in den 
                ersten Wochen lediglich in der Box simulieren, indem man den Strick 
                festhält und entsprechend reagieren kann.
 
 Unbedingt sollte dieser Lehrplan ständig wiederholt werden, um 
                die Prozesse zu verbessern. Die Übungen sollten nicht versäumt, 
                verschoben oder halbherzig angegangen werden!
 
 Beim heranwachsenden Pferd spürt man schnell, welche Dinge während 
                der Aufzucht gefestigt worden sind, und welche dagegen noch zu 
                Stress führen. Dann steht in den ersten Wochen ein gewisses Handlingtraining 
                im Vordergrund. Natürlich tritt bei einer Veränderung wie z.B. 
                einem Stallwechsel in den ersten Tagen eine Unsicherheit auf. 
                Fehlende Artgenossen, Veränderung des Lebensrhythmus usw. führen 
                dazu, dass sich ein Jungpferd verlassen und in eine andere Welt 
                versetzt fühlt und verstört reagiert. Deshalb sollten wir ab dem 
                ersten Tag des Stallwechsels durch ständige Wiederholungen auch 
                hier versuchen, beim Pferd wieder eine Routine entstehen zu lassen.
 
 
   
 Ein Jungpferd kommt ins Training
 
 Während den stressigen ersten Tagen nach „Schulbeginn“ gibt es 
                bestimmte Reaktionen, die ich ignoriere, und welche, die ich sofort 
                korrigiere. Die Unruhe in der Box, ein Schreien nach Artgenossen 
                und ein unruhigeres Verhalten beim ersten Putzen ignoriere ich. 
                So ist z.B. normal, dass das junge Pferd nach Artgenossen schreit 
                und evtl. am neuen Putzplatz unruhig ist, auch wenn es Zuhause 
                bisher „immer brav war und das noch nie gemacht hat“. Dieses unruhige 
                Verhalten ignoriere ich, solange das Pferd mich nicht zur Seite 
                drückt und umrennt. In der Regel wird es sich bald an diesen Putzplatz 
                gewöhnen und beginnen, sich dort wohl zu fühlen. Wenn es später 
                öfters an verschiedenen Plätzen (durch Kurse, Turniere, Wanderritte) 
                geputzt wird, stellt dies auch irgendwann kein Problem mehr dar, 
                wenn das Pferd selbstsicher geworden ist.
 
 Jedes Verhalten, das jedoch meine Position als „Alphatier“ in 
                Frage stellt, korrigiere ich sofort. Umrennen oder wegdrücken 
                gehören beispielsweise dazu – dies sind Verhaltensmuster, die 
                sofort korrigiert werden müssen, da auch in einer neuen Herde 
                darauf keine Rücksicht genommen wird. Vom ersten Tag an stellt 
                jedes Alphatier eindeutig klar, welche Position es innerhalb der 
                Herde hat! Hier sagt auch kein Pferd: „Du, der ist heute erst 
                gekommen, da darf er uns mal umrennen und wegdrücken“!
 
 Die innere Unruhe der ersten Tage und die Unsicherheit nehme ich 
                dem jungen Pferd nicht übel. Tritt es uns jedoch auf die Füße 
                und will unseren Platz beanspruchen, schicken wir es deutlich 
                zurück und nehmen den Druck sofort weg, sobald es „für uns Platz 
                gemacht hat“ und zur Seite gewichen ist. Manche Pferdetypen scheinen 
                hierbei vom Herrgott mit wenigen Rezeptoren ausgestattet zu sein 
                und beharren seelenruhig auf dem einmal gewonnen Platz. Statt 
                zu versuchen, das Pferd nun wegzudrücken, arbeite ich hier lieber 
                kurz mit „erschrecken“ und klatsche laut in die Hände oder Ähnliches. 
                Damit kann man manche dieser „Ottfried Fischer- Typen“ mobil bekommen. 
                Aber Vorsicht: Ein sensibleres Pferd kann man dadurch schon erschrecken 
                oder scheuer machen. Gefühl und die richtige Einschätzung sind 
                gefragt.
 
 Hufe geben
 
 Nicht selten kommen Jungpferde mit katastrophalem Hufen bei uns 
                an. Sie haben teilweise schon seit Monaten keinen Schmied mehr 
                gesehen. Wenn ich dann versuche, die Füße aufzuheben, merke ich 
                auch ganz schnell den Grund für diesen Zustand. Hier wurde etwas 
                versäumt! Vermutlich wurde schon beim Fohlen vernachlässigt, das 
                „Hufe geben“ zu üben, oder man hat es auf die lange Bank geschoben 
                und während der Aufzucht auch keine Möglichkeit gehabt, weil der 
                Aufzuchtsbetrieb womöglich etliche Kilometer entfernt war.
 
 Wenn es dann noch ganz schlecht gelaufen ist und der Hufschmied 
                sich um das Erlernen der Hufe geben kümmern sollte, haben wir 
                oftmals ein Problem, denn dieser wird dann oft auf etwas robustere 
                Art und Weise seinen Job gemacht haben. Dem Hufschmied kann man 
                aber kaum einen Vorwurf machen, denn es ist nicht seine Aufgabe, 
                ein Pferd zu erziehen, und natürlich will der Hufschmied gefahrlos 
                seinen Job erledigen können. Einzig sinnvoll ist es, auch an diesem 
                Problem systematisch und regelmäßig zu arbeiten, um es zu verbessern.
 
 „Wenn wir ein junges Pferd mit mangelnder Hufschmiedevorbereitung 
                haben, trainieren wir lieber noch eine Woche am „Hufe geben“ und 
                stellen es dem Schmied erst dann hin, wenn dieser seine Arbeit 
                ohne größere Probleme erledigen kann.“
 
 Durch meinen Bruder, der Hufschmied ist und auf der Hufschmiedeschule 
                in Oklahoma war, habe ich schon vor über 20 Jahren Techniken gelernt, 
                die dieses Problem verbessern. Auch in den USA gibt es nicht selten 
                „Wildfänge“, die irgendwann mal einen Schmied brauchen.
 
 Es ist normal, dass ein Fohlen Berührungen an den Beinen zunächst 
                nicht duldet. Die Natur hat es eingerichtet, dass es nichts an 
                seine Beine lässt, da die Beine die einzige Waffe sind, die es 
                bei einem Angriff zur Verfügung hat – es rennt davon. Da das Treten 
                von Fohlen bei plötzlichen Berührungen ein naturgegebener Reflex 
                ist, macht es für mich keinen Sinn, ein Fohlen dafür zu strafen. 
                Und da nicht nur der Tritt eines erwachsenen Pferdes, sondern 
                auch der eines Fohlens sehr schmerzhaft ist, versuche ich dies 
                zu vermeiden und gehe wie folgt vor – egal, ob es sich um ein 
                Fohlen, einen Halbwüchsigen oder um ein erwachsenes Pferd handelt:
 
 1.) An Berührungen gewöhnen
 
 Zunächst muss das Pferd lernen, Berührungen zu dulden. Dazu verwende 
                ich eine Gerte. Mit dieser streiche ich über die Kruppe des jungen 
                Pferdes bis hinter zu den Beinen. Kickt das Pferd nach der Gerte, 
                ignoriere ich das, lasse die Gerte aber am Bein. Wie schon erwähnt, 
                lernen Pferde durch Druck wegnehmen. Deshalb warte ich auf den 
                Moment, wo das Kicken aufhört und entferne dann die Gerte sofort!
 
 So lernt das Pferd, zu entspannen und Berührungen zu dulden. Der 
                Gerte tut ein Tritt nicht weh, unserer Hand jedoch schon. Und 
                da unsere Hand unweigerlich bei einem Tritt wegzuckt, würde dieses 
                „negative Erfolgserlebnis“ dazu führen, dass das Pferd noch länger 
                kickt. Durch einige Wiederholungen der beschriebenen Prozedur 
                lässt sich das junge Pferd jedoch bald überall an den Beinen mit 
                der Gerte berühren und streicheln. Nun haben wir die Vorraussetzung 
                für die nächste Stufe geschaffen.
 
 2.) Das erste Aufheben der Hufe
 
 Das Aufheben der Hufe kann nun erneut zum Kicken oder Wegziehen 
                führen. Niemand von uns möchte von einem Pferdehuf getroffen werden, 
                und Hufschmiede könnten ein Lied davon singen. Deshalb versuche 
                ich als nächstes erneut, sinnvoll, zielorientiert und ohne „negative 
                Erfolgserlebnisse“ für das Pferd daran zu arbeiten durch die Zuhilfenahme 
                eines Seiles:
 Die Arbeit mit dem Seil ist für mich eine Technik, die nicht nur 
                schwierigen Pferden helfen kann, sondern sie ist auch bei Jungpferden 
                ein gutes Mittel, um sie optimal für Arbeiten am Huf, insbesondere 
                an den Hinterhufen, vorzubereiten.
 
 „Die Arbeit mit dem Seil hat nichts mit Gewalt, sondern vielmehr 
                mit Gefühl, Timing, Ruhe und guter Vorbereitung zu tun.“
 
 Durch die gute Vorbereitung mit der Gerte müsste unser Pferd nun 
                Berührungen überall am Bein und auch an der Fessel ruhig und entspannt 
                akzeptieren. Daher sollte es nun leicht sein, ein Seil um die 
                Fessel anzulegen. Ich kann nun statt mit der Hand durch Zug an 
                dem Seil das Pferd auffordern, den Huf zu heben. Es wird vermutlich 
                genauso „zappeln“, wie wenn ich den Huf mit der Hand aufheben 
                würde. Jedoch muss ich nicht loslassen und selbst wenn es treten 
                würde, passiert mir nichts und ich muss nicht weg springen.
 
 GANZ WICHTIG ist nun, jede Form des Entspannens und Lockern des 
                Beines sofort mit „Huf abstellen“ zu beantworten. Ich wiederhole 
                das mit Gefühl mehrmals. Den Huf langsam am Seil unter den Körper 
                nach vorne ziehen, auf die Sekunde des Entspannens warten und 
                sofort abstellen. „Bringt das Pferd Widerstand, versucht wegzuziehen 
                oder gar zu treten, strafe ich es nicht, sondern warte auf den 
                Moment, bis das Pferd die Lösung der Aufgabe (Bein locker lassen) 
                findet.“ Ist es mir nun mehrfach gelungen, dass Hinterbein ohne 
                Probleme unter den Körper (also nach vorne) zu bekommen, versuche 
                ich es auch mit einigem Abstand (!) nach hinten raus und gehe 
                dabei nach dem gleichen Prinzip vor.
 
 Nach einigen Einheiten lernt ein Pferd in der Regel sehr schnell, 
                das Bein zu entspannen und sich auch mental mit der Situation 
                abzufinden.
 
 3.) Vorbereitung auf den Hufschmied
 
 Nun können wir, ohne getreten zu werden oder gar in den Ringkampf 
                mit einem Pferdebein zu müssen, sicher den Huf aufheben und auskratzen. 
                Dies beinhaltet jedoch noch lange nicht, dass der Hufschmied seine 
                Arbeit ohne Schwierigkeiten ausführen kann. Denn oftmals ist nicht 
                das Aufheben, sondern vielmehr das Nageln ein Problem, und nicht 
                wenige Pferde reagieren anfangs mit Unsicherheit. Eine ganz simple 
                Übung kann frühzeitig das Nageln simulieren: Beim Auskratzen drehe 
                ich den Hufkratzer um und klopfe damit leicht gegen die Sohle. 
                Somit mache ich es mit dem „Nageln“ vertraut.
 
 Hufschmiede haben einen harten Job und ihnen wird von uns Pferdeigentümern 
                das Leben nicht immer leicht gemacht. Deshalb sehe ich es als 
                unsere Verantwortung sowohl dem Mensch als auch dem Tier gegenüber, 
                sinnvoll an der Vorbereitung zu arbeiten, damit Hufe ordentlich 
                und ohne Stress für die beteiligten Parteien bearbeitet werden 
                können.
 
 
 
 Serie Starting Colts
 Teil 
                1: Systematisches und schonendes Training für junge Pferde
 Teil 
                2: Die Voraussetzungen beim Pferd, den Trainingsmöglichkeiten 
                und dem Equipment
 
 Fortsetzung folgt…
 
 
 Quelle:
 Stefan 
                Ostiadal
 
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 z.B. 
Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht.
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